Neuer Wirkstoff für Duchenne-Muskeldystrophie

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Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie, einer seltenen Erkrankung, bekommen mit Agamree® eine neue Behandlungsoption. 

 

Die seltene Krankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist genetisch bedingt und führt zu einer schnell fortschreitenden Muskelschwäche und Muskelschwund aufgrund der Degeneration der Skelett-, Herz- und glatten Muskulatur. Ursache ist der Mangel an funktionsfähigem Dystrophin, einem für die Muskelkontraktion wichtigen Protein, durch Genmutationen. Betroffen sind in erster Linie Jungen und Männer. 

Symptome treten schon in der frühen Kindheit auf, wobei Betroffene später mit dem Laufen beginnen und eine Verzögerung der Sprach- und/oder Gesamtentwicklung aufweisen können. Mit Fortschreiten der Erkrankung werden alltägliche Fähigkeiten wie Treppensteigen immer schwieriger. Auch Stürze können sich häufen. Der Verlust der selbständigen Gehfähigkeit tritt zwischen dem 6. und 13. Lebensjahr ein und hat Gelenkversteifungen und Skoliosen zur Folge. Im späteren Krankheitsverlauf können zudem ein Funktionsverlust in den oberen Extremitäten sowie Einschränkungen der Herz- und Lungenfunktion auftreten. 

DMD ist nicht heilbar und trotz Fortschritten in der Therapie ist die Lebenserwartung deutlich reduziert - der Tod tritt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr ein. Unbehandelte Kinder mit DMD erreichen selten die Fähigkeit zu laufen und sterben oft im späten Teenageralter an respiratorischer Insuffizienz und/oder Kardiomyopathie. Eine möglichst frühzeitige adäquate Therapie ist also entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu verzögern, die Lebenserwartung zu erhöhen und die Lebensqualität zu verbessern. 

Die Basistherapie in jeder Krankheitsphase stellen supportive und symptomatische Maßnahmen dar und umfassen medikamentöse (z. B. systemische Glucocorticoide, Ataluren) nichtmedikamentöse (z. B. Physiotherapie, Lagerungsschienen) und chirurgische Verfahren. Glucocorticoide stellen die medikamentöse Standardtherapie der DMD dar und sollten für jeden Patienten ab 5 Jahren erwogen werden, wobei mögliche Komplikationen wie Gewichtszunahme, Wachstumsverzögerungen und Osteoporose überwacht werden müssen. Mit Vamorolon steht jetzt eine zusätzliche medikamentöse Behandlungsoption zur Verfügung. 

Agamree® von Santhera ist das erste uneingeschränkt (d.h. unabhängig von zugrunde liegender Mutation und Gehfähigkeit) zugelassene Medikament zur Behandlung von Duchenne-Muskeldystrophie bei Patienten ab 4 Jahren in der EU. Es enthält den Wirkstoff Vamorolon, ein modifiziertes Corticosteroid, das die Produktion bestimmter proinflammatorischer Stoffe hemmt und so Entzündungen verringert. Der genaue Wirkmechanismus bei DMD ist noch nicht vollständig geklärt. Jedoch konnte eine Hauptstudie mit 121 DMD-Patienten im Alter von 4 bis 7 Jahren eine Verbesserung der Bewegungsfähigkeit zeigen.  

Bezüglich der Sicherheit schneidet Vamorolon im Vergleich zu den herkömmlichen Corticosteroiden gut ab, da es keine Auswirkungen auf Knochen und Wachstum verursacht. Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Vamorolon gehören cushingnoide Symptome wie Vollmondgesicht und blaue Flecken, Erbrechen sowie Gewichtszunahme und Reizbarkeit. Agamree® darf nicht bei Patienten angewendet werden, deren Leberfunktion stark beeinträchtigt ist oder die kürzlich einen Lebendimpfstoff erhalten haben. 

Die empfohlene Dosis für die Suspension beträgt 6 mg/kg Körpergewicht Vamorolon einmal täglich bei Patienten mit einem Körpergewicht bis zu 40 kg und 240 mg Vamorolon einmal täglich bei Patienten mit einem Körpergewicht von über 40 kg. Die tägliche Dosis kann je nach Verträglichkeit heruntertitriert werden, wobei die höchst verträgliche Dosis angewendet werden sollte. Ein abruptes Absetzen bzw. Reduzieren der Dosis darf nicht erfolgen, sobald die Behandlung bereits länger als eine Woche erfolgt ist.  Es besteht das Risiko einer lebensbedrohlichen Nebennierenkrise. Eine Dosisreduktion von Vamorolon muss schrittweise über mehrere Wochen erfolgen.

 

Quellen: 

[1] Veröffentlichung Website www.orpha.net; Juni 2020: Muskeldystrophie Typ Duchenne (zugegriffen am 10.01.2024) 

[2] Bernert G et al. Expertenempfehlung: Therapie nichtgehfähiger Patienten mit Muskeldystrophie Duchenne 2021 Nervenarzt 92, 359 

[3] Pressemitteilung Santhera; 18. Dezember 2023: Santhera’s AGAMREE® (Vamorolon) erhält die Zulassung in der Europäischen Union zur Behandlung von Duchenne-Muskeldystrophie 

[4] Veröffentlichung (Medicine Overview) EMA; 04. Januar2024: Agamree® 

[5] Produktinformation (EMA) Agamree®; Santhera; 04. Januar 2024

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