Vyjuvek® ist die erste zugelassene Gentherapie, die die Ursache der dystrophischer Epidermolysis bullosa gezielt behandelt.
Epidermolysis bullosa (EB) ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankungsgruppe mit unterschiedlichen klinischen Ausprägungen. Sie ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Anfälligkeit der Haut und anderer epithelialisierter Gewebe, sodass bereits geringste mechanische Belastungen Blasen, Erosionen oder chronische Wunden verursachen können. Da die Haut dadurch so verletzlich ist wie die Flügel eines Schmetterlings, werden Betroffene oft als „Schmetterlingskinder“ bezeichnet.
Die dystrophe Epidermolysis bullosa (DEB) ist nach der Epidermolysis bullosa simplex die zweithäufigste Form der Epidermolysis bullosa. In Europa liegt die Prävalenz bei etwa 1:120.000 bis 1:350.000. Die DEB wird in vier Hauptformen und mehrere seltenere Unterformen eingeteilt. Am häufigsten kommen drei Varianten vor: die intermediär-dominante DEB, die schwere rezessive DEB und die intermediär-rezessive DEB.
Die Krankheit tritt meist bereits bei der Geburt auf, kann bei milderen Formen jedoch auch erst später beginnen. Hautläsionen entstehen spontan oder nach mechanischer Belastung. Sie können am ganzen Körper oder nur an einzelnen Stellen auftreten und heilen oft unter Bildung verschiedener Narbenarten, kleiner weißlicher Hautveränderungen, winziger Hautzysten sowie Veränderungen an den Nägeln. Ausgeprägte Narbenbildung kann zu schweren Kontrakturen und Fehlbildungen an Händen und Füßen führen. Schleimhautbeteiligungen betreffen häufig Mund- und Speiseröhre, seltener Augen oder den Urogenitaltrakt. Zu den Spätfolgen zählen Anämie, Eisenmangel, Osteoporose, Wachstumsstörungen und in seltenen Fällen Nierenversagen. Betroffene haben zudem ein erhöhtes Risiko für Plattenepithelkarzinome.
Die Prognose hängt vom DEB-Subtyp ab: Patienten mit dominanten Formen erreichen meist eine normale Lebenserwartung, während bei der schweren rezessiven Form ein hohes Sterberisiko besteht – häufig infolge metastasierender Plattenepithelkarzinome, seltener durch Nierenversagen, Sepsis oder dilatative Kardiomyopathie.
Bisherige Standardtherapien bei Epidermolysis bullosa beschränkten sich überwiegend auf die Linderung von Symptomen. Dazu zählen Hautschutz, sorgfältige Wundversorgung und Infektionsprophylaxe, Schmerz- und Juckreiztherapie, Physio- und Ergotherapie zur Erhaltung der Beweglichkeit, chirurgische Korrektur von Fehlbildungen, Ernährungstherapie ggf. mit Gastrostomie sowie die Behandlung von Anämie und Eisenmangel. Regelmäßige Hautuntersuchungen dienen der Früherkennung von Plattenepithelkarzinomen. Psychologische Betreuung ist ebenfalls ratsam.
Patienten mit dystropher Epidermolysis bullosa haben eine Mutation im COL7A1-Gen und können dadurch kein funktionsfähiges Kollagen Typ VII (COL7) bilden – ein Protein, das die Hautschichten verbindet und für Stabilität sorgt.
Mit Vyjuvek® steht nun erstmals eine lokal applizierbare Gentherapie zur Verfügung, die gezielt den ursächlichen Defekt der dystrophen Epidermolysis bullosa adressiert. Es handelt sich dabei um eine auf Herpes-Simplex-Viren Typ 1 (HSV-1) basierende vektorbasierte Gentherapie, die von Geburt an zur Behandlung von Wunden bei Patienten mit dystrophischer Epidermolysis bullosa mit Mutation(en) im Gen für die Alpha-1-Kette von Kollagen Typ VII (COL7A1) eingesetzt wird.
Der Wirkstoff in Vyjuvek®, Beremagen geperpavec, ist ein gentechnisch verändertes Herpes-simplex-Virus 1, das das COL7A1-Gen enthält. Wird Vyjuvek® auf die Wunden aufgetragen, gelangt dieses Gen in die Hautzellen und ermöglicht dort die Bildung von COL7, was die Hautschichten stabilisiert und die Wundheilung unterstützt. Der HSV-1-Vektor bei Vyjuvek® erreicht gezielt Hautzellen, hat eine hohe Ladekapazität – auch für große Gene wie COL7A1 – und löst nur geringe Immunreaktionen aus, was wiederholte Anwendungen ermöglicht. Nachteilig sind die nur vorübergehende Wirkung, da kein Einbau ins Erbgut erfolgt, sowie die fehlende Durchdringung intakter Haut, weshalb keine Vorbeugung möglich ist und die Behandlung regelmäßig wiederholt werden muss.
Vyjuvek® wird einmal wöchentlich direkt auf die Wunden aufgetragen – in kleinen Tropfen mit etwa 1 cm Abstand im Gittermuster. Die maximale Wochendosis beträgt 1 ml (2 × 10⁹ PFU) bei Kindern unter drei Jahren und 2 ml (4 × 10⁹ PFU) bei Kindern über drei Jahren und Erwachsenen. Die Behandlung erfolgt bis zum Wundschluss und kann bei Rückfällen erneut durchgeführt werden. Vor der Applikation sollten die Wunden vorsichtig gereinigt werden viruzide Substanzen sind dabei zu vermeiden.
In einer klinischen Hauptstudie mit 31 Patienten im Alter von eins bis 44 Jahren wurde jeweils eine Wunde mit Vyjuvek® und eine mit Placebo behandelt. Nach sechs Monaten waren 67% (21 von 31) der Wunden in der Vyjuvek®-Gruppe vollständig verheilt, gegenüber 22% (7 von 31) in der Placebo-Gruppe. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Schüttelfrost und Juckreiz.
Quellen:
[1] Produktinformation (EMA) Vyjuvek®; Krystal Biotech; 28. Juli 2025
[2] Veröffentlichung (Medicine Overview) EMA; 06. Mai 2025: Vyjuvek®
[3] Prodinger C et. Laimer M. hautnah. 2024; 23:43–49.
[4] Pressemitteilung Krystal Biotech; 28. April 2025: Krystal Biotech Announces European Commission Approval of VYJUVEK® for the Treatment of Dystrophic Epidermolysis Bullosa
[5] Veröffentlichung Website orpha.net: Epidermolysis bullosa, dystrophe (zugegriffen am 11.08.2025)
[6] Veröffentlichung Website schmetterlingskinder.ch: Was ist EB (zugegriffen am 11.08.2025)