Satralizumab bei seltener Auto­immun­krankheit

Roche Pharma bringt Enspryng® zur Therapie von Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) auf den Markt.

Das Anwendungsgebiet des neuen Interleukin-Inhibitors umfasst die Behandlung von Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, die Antikörper gegen Aquaporin-4 (AQP4) aufweisen. Dabei kann es sowohl als Monotherapie, als auch in Kombination mit einer immunsuppressiven Therapie (IST) gegeben werden. Zu den bei NMOSD in Kombination eingesetzten Arzneimitteln zählen unter anderem orale Corticosteroide, Azathioprin oder Mycophenolatmofetil. 

Der Begriff der NMOSD umfasst seltene Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems, hierbei werden die Neuronen der von NMOSD betroffenen Menschen vom körpereigenen Immunsystem angegriffen. Bei den entzündlichen Erkrankungen sind vor allem der Sehnerv, der Hirnstamm und das Rückenmark beteiligt. Zu den sechs Kernsymptomen der NMOSD zählen neben der Optikusneuritis (Entzündung des Sehnervs), die akute Myelitis, das akute Hirnstamm- und Area-postrema-Syndrom, die symptomatische Narkolepsie sowie das symptomatische zerebrale Syndrom mit NMOSD-typischer cerebraler MRT-Läsion. 

Wie bereits der Name vermuten lässt, handelt es sich bei den NMOSD um ein Spektrum an Krankheiten mit unterschiedlichen Symptomen. So äußern sich die oben genannten Kernsymptome der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen oft in einem verminderten Sehvermögen, was bis zur Erblindung führen kann. Auch kann es in der Folge zur Schwäche bis hin zur Lähmung der Arme und Beine sowie einem Verlust der Blasenkontrolle kommen. 

Schätzungsweise leiden eine bis zehn Personen pro 100.000 Einwohner an dieser seltenen Erkrankung. Dabei beginnt die Krankheit meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr, wobei Frauen neunmal häufiger betroffen sind als Männer.

Aufgrund der schubweisen Verschlechterung der Symptome bei NMOSD gibt es oft Verwechslungen mit der Multiplen Sklerose (MS). Bei der MS treten die Symptome zwar auch schubweise auf, jedoch geht es den betroffenen Patienten zwischen den Schüben meist besser. Anders sieht es bei NMOSD aus: Hier verschlechtert sich der Zustand der Menschen mit jedem Schub und es kommt zu keiner zwischenzeitlichen Verbesserung. Die Schübe hinterlassen bei den Betroffenen schwere Schäden und Einschränkungen, welche im schlimmsten Fall zum Tod führen können. 

Der häufigste Grund für die Erkrankung liegt in der Bildung von Antikörpern gegen Aquaporin-4 (AQP4), welche zu Entzündungen im Nervensystem führen. Der Wasserkanal AQP4 hat normalerweise eine wichtige Rolle bei der Funktion der Nervenzellen. Die Produktion der Antikörper gegen AQP4 wird durch das Zytokin Interleukin 6 (IL-6) aktiviert. Deswegen gilt IL-6 als Schlüsselfaktor bei NMOSD. 

Bei Satralizumab, dem wirksamen Bestandteil von Enspryng®, handelt es sich um einen gegen den IL-6-Rezeptor gerichteten humanisierten monoklonalen Antikörper. In dem Satralizumab den Interkeukin-6-Signalweg durchbricht, werden weniger Antikörper gegen AQP4 gebildet, wodurch die normale Aktivität des Wasserkanals sichergestellt wird. 

Enspryng® ist als Injektionslösung in einer Fertigspritze erhältlich. Die empfohlene Initialdosis von Satralizumab für die ersten drei Anwendungen beträgt 120 mg als subkutane (s.c.) Injektion alle zwei Wochen. Anschließend muss das Arzneimittel in der Erhaltungsdosis nur noch alle vier Wochen angewendet werden. 

Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Satralizumab wurde in zwei Phase-III-Studien untersucht. An der ersten Studie nahmen insgesamt 55 Patienten ab 12 Jahren teil, die AQP4-Antikörper aufwiesen und gleichzeitig unter einer immunsuppressiven Therapie (IST) standen. 92 % der Teilnehmer, die Enspryng® in Kombination mit einer IST erhielten, waren nach 48 Wochen frei von Schüben, gegenüber 60 % der Teilnehmer, die Placebo und eine IST bekamen. Die zweite Studie umfasste 64 Erwachsene, die Antikörper gegen AQP4 aufwiesen. Es konnte gezeigt werden, dass 83 % der mit Satralizumab behandelten Patienten nach 48 Wochen frei von Schüben waren, im Vergleich zu 55 % der Patienten, die eine Scheinbehandlung bekamen.

Zu den am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, eine verringerte Anzahl an weißen Blutkörperchen, hohe Blutfettspiegel und injektionsbedingte Reaktionen. 

Wie alle neuartigen Arzneimittel unterliegt auch Enspryng® nach Marktzulassung dem "Additional Monitoring", einer zusätzlichen Überwachung durch die Arzneimittelbehörden, um eine schnelle Identifizierung neuer sicherheitsrelevanter Erkenntnisse zu ermöglichen. Angehörige von Gesundheitsberufen sind daher aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden.

 

Quellen:

 [1] Produktinformation (EMA) Enspryng ®; Roche; Juni 2021

[2] Veröffentlichung (EPAR - Medicine overview) EMA; 30. Juni 2021: Enspryng ®

[3] Pressemitteilung Roche; 14. Juli 2020: Enspryng ® (Satralizumab) von Roche in der Schweiz zur Behandlung der Neuromyelitis-Optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) zugelassen

[4] Veröffentlichung Website Roche: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) (zugegriffen am 09. Juli 2021)

[5] Veröffentlichung Deutsche Gesellschaft für Neurologie; 17. Februar 2021; S2k -Leitlinie: Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen

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