Atgam® bei aplastischer Anämie

Markteintritt des Anti-Human-T-Lymphozyten-Immunglobulin-Präparates Atgam® zur Therapie der aplastischen Anämie.

Das Produkt Atgam® (Pfizer) erhielt bereits im Januar dieses Jahres die Zulassung des Paul-Ehrlich-Instituts, die Markteinführung erfolgte jedoch verzögert zum 01. November 2022. 

Anti-Human-T-Lymphozyten-Immunglobulin vom Pferd (ATG) war seit 2007 nicht mehr in Deutschland erhältlich und musste personenbezogen importiert werden. Durch die Zulassung von Atgam® steht wieder ein ATG enthaltendes Arzneimittel für die Erstlinientherapie der aplastischen Anämie (AA) zur Verfügung. 

Unter dem Begriff aplastische Anämie sind unterschiedliche Erkrankungen zusammengefasst, die alle zu Knochenmarkinsuffizienz führen. Durch diese Funktionseinschränkung des Knochenmarks sind verschiedene Blutzellen nur noch in vermindertem Ausmaß im Körper vorhanden, das heißt, es kommt zu Anämie, Granulozytopenie oder Thrombozytopenie. Diese Zytopenien treten in verschiedenen Kombinationen (zwei oder alle drei Zellreihen betreffend) und in unterschiedlichen Schweregraden auf. Aplastische Anämien können unterteilt werden in erworbene und angeborene Formen sowie nach Schweregrad (mäßig, schwer und sehr schwer) der Erkrankung. Meist bleibt die Ursache der AA ungeklärt (> 80%) oder ist z.B. auf Medikamente oder Infektionen zurückzuführen. Bei der idiopathischen AA wird eine durch T-Lymphozyten vermittelte Autoimmunreaktion auf Blutstammzellen vermutet. 

Je nach klinischer Ausprägung und Ursache der Erkrankung richtet sich die Wahl der Therapie. Bei mäßig ausgeprägter aplastischer Anämie wird laut DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie) ein abwartendes Verhalten empfohlen bzw. kann bei entsprechender Indikation eine immunsuppressive Therapie eingeleitet werden. Bei AA in seiner schweren bzw. sehr schweren Form ist die allogenen Stammzelltransplantation als kurative Intervention vorgesehen. Falls diese nicht durchführbar ist, wird als Mittel der Wahl ATG in Kombination mit Ciclosporin genannt.  

Atgam® ist indiziert Patienten ab zwei Jahren mit einer erworbenen moderaten bis schweren aplastischen Anämie. Das Präparat besteht aus Antikörpern, die an verschiedene Zielstrukturen im Körper binden z.B. Oberflächen von Lymphozyten, Thrombozyten, Granulozyten und Zellen des Knochenmarks. Atgam® fungiert als Immunsuppressivum, wobei der genaue Mechanismus nicht geklärt ist. Vermutlich ist die Depletion von T-Lymphozyten ausschlaggebend für das Ansprechen bei AA.  

Atgam® wird nach Körpergewicht des Patienten dosiert und eine Gesamtdosis von 160 mg/kg Körpergewicht wird empfohlen. ATG wird in Form von täglichen intravenösen Infusionen je nach Dosierung über vier bis 10 Tage verabreicht. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen in klinischen Studien (mehr als 10% der Patienten) waren Infektionen, Neutropenie, Serumkrankheit, Kopfschmerzen, Hypertonie, Diarrhoe, Ausschlag, Arthralgie, Pyrexie, Schüttelfrost, Schmerzen, Ödeme und anomaler Leberfunktionstest. Unter Therapie mit ATG werden laut Leitlinie der DGHO die tägliche Kontrolle der Thrombozyten, zweimal wöchentlich Differenzialblutbild und Gerinnung empfohlen. Ggf. kann der Ciclosporinspiegel bestimmt werden. In der Regenerationsphase sollten ein- bis zweiwöchentliche Blutbildkontrollen folgen.  

 

Quellen: 

[1] Veröffentlichung Website pei.de: Atgam® (zugegriffen am 27.10.2022) 

[2] Veröffentlichung Website dgho.de: Anti-Human-T-Lymphozyten-Immunglobulin vom Pferd (eATG) jetzt in Deutschland zugelassen (zugegriffen am 27.10.2022) 

[3] Veröffentlichung Website onkopedia.com: Aplastische Anämie (zugegriffen am 27.10.2022) 

[4] Fachinformation Atgam®; Pfizer; Januar 2022 

[5] Lauten M et al. Hämatologie. Pädiatrie. 2019:541–70