Mit Ryjunea® kommt erstmals ein Atropin-haltiges Fertigarzneimittel zur Therapie von Myopie bei Kindern auf den Markt.
Myopie (Kurzsichtigkeit), ist ein irreversibler Brechungsfehler, bei dem entfernte Objekte unscharf erscheinen, da das Licht im Auge nicht korrekt fokussiert wird. Sie beginnt oft im frühen Kindesalter und kann schnell fortschreiten. Bleibt sie unbehandelt, kann dies mit einem erhöhten Risiko für okuläre Komplikationen im späteren Leben einhergehen. Prognosen zufolge wird bis zum Jahr 2050 etwa jedes dritte Kind in Europa betroffen sein.
Bislang stand Atropin zur Verlangsamung der Myopieprogression ausschließlich in Form individuell hergestellter Rezepturen zur Verfügung. Mit Ryjunea® 0,1 mg/ml Augentropfen ist nun erstmals ein zugelassenes Fertigarzneimittel für diese Indikation erhältlich - in derselben Wirkstärke wie bisher in den Rezepturen üblich. Es wird bei Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 14 Jahren angewendet, wenn die jährliche Progressionsrate mindestens 0,5 Dioptrien (dpt) beträgt und der Schweregrad zwischen −0,5 dpt und −6,0 dpt liegt.
Der Wirkstoff Atropin ist ein natürliches Alkaloid aus der Schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna) und wirkt als kompetitiver, reversibler Antagonist an muscarinischen Acetylcholinzeptoren. Obwohl der genaue Mechanismus zur Hemmung der Myopieprogression noch nicht vollständig verstanden ist, wird angenommen, dass Atropin über eine Modulation des skleralen Gewebeumbaus langfristig angewendet das axiale Längenwachstum des Augapfels und die Tiefe der Glaskörperkammer reduziert.
Ryjunea® wird einmal täglich abends als ein Tropfen in jedes Auge verabreicht. Eine begleitende, regelmäßige augenärztliche Kontrolle ist dabei essenziell. Bei stabiler Myopie (< 0,5 dpt Progression über zwei Jahre) sollte ein Auslassversuch erwogen werden, gefolgt von einer weiteren Überwachung für mindestens ein Jahr.
Die häufigsten Nebenwirkungen einer Behandlung mit Ryjunea® umfassen Photophobie (23,4%), Augenreizung (9,9%) und verschwommenes Sehen (7,8%). Zudem kann das als Konservierungsmittel eingesetzte Benzalkoniumchlorid die Augenoberfläche beeinträchtigen, was beim Tragen von Kontaktlinsen beachtet werden muss.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ryjunea® wurden in der STAR-Studie, einer 48-monatigen, doppelblinden, vehikelkontrollierten Phase-III-Studie mit 852 Kindern im Alter von drei bis 14 Jahren, untersucht. Nach 24 Monaten zeigte sich im Vergleich zur Placebogruppe eine signifikant geringere mittlere Progression der Myopie (−0,474 dpt vs. −0,862 dpt). Die Effekte waren bei jüngeren Kindern und bei stärkerer Progressionsrate besonders ausgeprägt.
Die Therapie mit Atropin-haltigen Augentropfen stellt einen wichtigen Fortschritt zur Kontrolle der Myopie im Kindesalter dar. Mit Ryjunea® steht hierfür nun eine evidenzbasierte und standardisierte Möglichkeit zur frühzeitigen Behandlung der Myopieprogression zur Verfügung.
Quellen:
[1] Fachinformation Ryjunea 0,1 mg/ml Augentropfen, Lösung; Santen; Juni 2025
[2] Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, der Bielschowsky Gesellschaft für Schielforschung und Neuroophthalmologie und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands; Empfehlungen bei progredienter Myopie im Kindes- und Jugendalter; Juni 2022
[3] Pressemitteilung Santen 10. Juni 2025 „European Commission Approves Santen’s Ryjunea® to Slow Progression of Paediatric Myopia”
[4] Pressemitteilung Santen 31. März 2025 “Santen Receives Positive CHMP Opinion in Europe for Ryjunea🄬 for slowing the progression of paediatric myopia”
[5] Rita P, Animesh DK. An Updated Overview on Atropa belladonna L. Int. Res. J. Pharm. 2011;2:11–17.