Gegenmittel bei Methotrexat-Überdosierung

Methotrexat

Das Pharmaunternehmen SERB bringt mit Voraxaze® ein Notfalltherapeutikum bei Methotrexat-Toxizität auf den Markt. 

 

Angewendet wird Voraxaze® zur Senkung toxischer Methotrexat-Plasmakonzentrationen bei Erwachsenen und Kindern ab einem Alter von 28 Tagen mit verzögerter Ausscheidung von Methotrexat (MTX), oder bei Vorliegen eines Risikos für eine MTX-Toxizität.

Der Einsatz einer Chemotherapie mit hochdosiertem MTX (HDMTX) erfolgt zur Behandlung oder Vorbeugung des Wiederauftretens bestimmter Krebsarten bei Erwachsenen und Kindern. Dazu zählen unter anderem Leukämien, Lymphome und Osteosarkome. Trotz unterstützender Standardmaßnahmen kann eine MTX-Hochdosistherapie bei manchen Patienten eine Nierenfunktionsstörung verursachen. Da die Ausscheidung von MTX hauptsächlich über die Nieren erfolgt, führt eine HDMTX-induzierte Nierenfunktionsstörung zu einer verzögerten MTX-Elimination, was eine Anreicherung von MTX im Blut und im ganzen Körper verursacht. Eine akute Nierentoxizität und andere systemische Auswirkungen können die Folge solch einer MTX-Toxizität sein.

Die Inzidenz dieser schwerwiegenden, lebensbedrohlichen MTX-Toxizität wird zuletzt auf etwa 0,3 von 10.000 Menschen in der Europäischen Union (EU) geschätzt. Daher wurde Voraxaze® im Jahr 2003 von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) als Arzneimittel für seltene Leiden („Orphan-Arzneimittel“) zur Zusatzbehandlung bei Patienten mit einem MTX-Toxizitätsrisiko ausgewiesen. Anfang des Jahres hat Voraxaze® nun die zentrale sprich europäische Zulassung erhalten.

Zu den bereits existierenden Behandlungsmethoden bei einer MTX-Toxizität gehört die Gabe von Folinsäure. Zwar profitieren viele Patienten von solch einer Therapie, dennoch kann sie in einigen Fällen nicht ausreichend wirksam sein, sodass eine Hämodialyse notwendig werden kann. Mit Glucarpidase bietet sich für diese Patienten eine zusätzliche medikamentöse Therapieoption an. Die Gabe von Folinsäure, die nach der Glucarpidase-Therapie zur Auffüllung intrazellulärer Folat-Quellen benötigt wird, sollte in einem zeitlichen Abstand von mindestens 2 Stunden zu Glucarpidase erfolgen. Andernfalls ist mit Wechselwirkungen zu rechnen.

Bei Glucarpidase, dem aktiven Bestandteil von Voraxaze®, handelt es sich um ein rekombinantes bakterielles Enzym, welches auch Carboxypeptidase G2 genannt wird. In dem Glucarpidase MTX in seine inaktiven Metaboliten DAMPA und Glutamat umwandelt, wird die Menge an MTX im Blut reduziert und so das Toxizitätsrisiko gesenkt. DAMPA und Glutamat werden über die Leber metabolisiert, sodass Glucarpidase einen alternativen Weg für die Elimination von MTX für die Patienten bietet, die an einer Nierenfunktionsstörung während einer MTX-Hochdosistherapie leiden. Die intrazellulären antineoplastischen Wirkungen von MTX werden durch Glucarpidase nicht beeinflusst, da dieses aufgrund seiner erheblichen Molekülgröße die Zellmembran nicht passiert.

Die empfohlene Dosis des Notfalltherapeutikums ist eine Einzeldosis von 50 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht als intravenöse Bolusinjektion über 5 Minuten. Die Gabe von Glucarpidase sollte unverzüglich erfolgen, sobald die Diagnose einer verzögerten MTX-Elimination oder des Risikos einer MTX-Toxizität vorliegt. Das optimale Zeitfenster für die Verabreichung von Voraxaze® bei Patienten mit verzögerter MTX-Elimination liegt zwischen 48 und 60 Stunden nach Beginn der MTX-Hochdosisinfusion.

Der Wirkstoff Glucarpidase wurde in vier offenen, multizentrischen Studien bei 169 Patienten mit durch Nierenfunktionsstörung bedingter, verzögerter Methotrexat-Elimination auf seine Wirksamkeit hin untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Voraxaze® bei der Erzielung einer klinisch relevanten Senkung (CIR) der MTX-Konzentration im Blut wirksam war. Die durchschnittliche MTX-Konzentration wurde innerhalb von 15 Minuten nach der ersten Dosis Voraxaze® um 96,8% bis 99,3% gesenkt und die MTX-Konzentration blieb 8 bis 15 Tage lang stabil.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen (sehr häufig, 1 von 10 Behandelnden betreffend) des Entgiftungsmittels zählen ein brennendes Gefühl, Kopfschmerzen, Parästhesien, Hautrötung und Hitzegefühl.

Es liegen nur begrenzte Daten zur Sicherheit von Voraxaze® vor. Dennoch kam die EMA zum Entschluss, dass die Nebenwirkungen nach einer Dosis Voraxaze® in Relation zur Schwere der MTX-Toxizität akzeptabel sind und folglich der Nutzen von Voraxaze® gegenüber den Risiken überwiegt. Die Zulassung von Voraxaze® wurde unter „Außergewöhnlichen Umständen“ erteilt, d. h. dass aufgrund der Seltenheit der Krankheit es nicht möglich war, allumfassend Informationen zu erlangen. Die EMA wird jedes Jahr sämtliche neu verfügbaren Daten prüfen und gegebenenfalls aktualisieren.

 

 

Quellen:

[1] Produktinformation (EMA) Voraxaze®; SERB; Januar 2022 

[2] Veröffentlichung (EPAR - Medicine overview) EMA; 02. März 2022: Voraxaze®   

[3] Pressemitteilung SERB; 03. Dezember 2021; SERB receives positive CHMP opinion for Voraxaze® (glucarpidase) as Rescue Therapy for High Dose Methotrexate Toxicity

[4] Veröffentlichung Website voraxaze.com (zugegriffen am 11.04.2022) 

[5] Veröffentlichung (EMA) ; 24. April 2015; Public summary of opinion on orphan designation of carboxypeptidase G2 for the adjunctive treatments in patients at risk of methotrexat toxicity

Verwandte Artikel
Neues Arzneimittel bei Insomnie

Mit Daridorexant steht eine neue Therapieoption zur Behandlung von ...

Neu: topisches Finasterid bei Haarausfall

Das neue Finasterid-Präparat zur topischen Anwendung, Fynzur® von ...